Nein, es bleibt dabei, dass Politik in der sogenannten Corona-Krise für unsere Gesellschaft verhängnisvolle Entscheidungen trifft. Die gestern und heute beschlossene weitgehende Beibehaltung des gesellschaftlichen Shutdowns mit lediglich kleineren Lockerungen in der nächsten Zeit war verantwortungslos.
Der weitgehende gesellschaftliche Stillstand hat bereits jetzt für diese Gesellschaft dramatische Auswirkungen. Wer glaubt, dass man irgendwann einfach wieder auf einen Knopf drücken kann und die Gesellschaft dann wieder wie vorher funktioniert, der irrt sich gewaltig. Es wird viele Menschen geben, die nicht mehr auf die Beine kommen und der hochverschuldeten Allgemeinheit zusätzlich zur Last fallen werden.
Dramatisch ist auch, dass auch die deutsche Politik mit ihrem Verhalten in der Zeit der Corona-Pandemie einen weiteren Beitrag dazu leistet, dass sich moderne Gesellschaften ihre aktuellen Verhältnisse auf Kosten der zukünftigen Generationen gestalten. Es ist am Ende des Tages gleichgültig, ob wir die Ressourcen dieser Erde auf Kosten der zukünftigen Generationen gnadenlos ausbeuten oder ob wir uns auf Kosten der zukünftigen Generationen massiv verschulden oder ob wir die Lebensräume der Erde auf Kosten der zukünftigen Generationen überbevölkern. Wir machen es uns bequem und meinen, dass irgendwann irgendwer die von uns hinterlassene Rechnung schon bezahlen wird. Was solls. Nein, verantwortungsvolle Politik sieht anders aus.
Kehren wir zurück zu dem Beitrag vom 29.03.2020. Darin war sinngemäß ausgeführt worden, dass sich Politik in der sogenannten Corona-Krise von den Ratschlägen von Virologen und Medizinern leiten lässt (Technokratie), anstatt davon unabhängige Entscheidungen zu treffen, mit denen man unter Beweis stellt, dass man erstens einen eigenen Plan von gelingender Gesellschaft hat und zweitens Vertrauen darin hat, dass sich eine motivierte Gesellschaft auch selbst helfen kann.
Wir wollen das nicht persönlich nehmen aber der Hinweis darf erlaubt sein, dass der bayerische Ministerpräsident das besonders restriktive Verhaltens der bayerischen Politik bei den Lockerungen des Shutdowns gestern damit begründet hat, dass er auf der Seite der medizinischen Empfehlungen bleiben würde, weil das der sicherste Weg sei. Auch das ist nichts anderes als der Beleg für den technokratischen Ansatz bei der Auswahl des Ziels und bei der Auswahl der Mittel zur Erreichung des ausgewählten Ziels.
Wir wollen zur Kenntnis nehmen, dass der Gesundheitsminister gerade erst eine Verordnung erlassen hat, mit der mit 730 Millionen Euro an öffentlichen Geldern durch den Shutdown bedingte Verdienstausfälle von Therapeuten, Zahnärzten und Einrichtungen für Eltern-Kind-Kuren kompensiert werden sollen. So kann man für Ruhe am Telefon sorgen und wie viele Lebensleistungen an Steuerbeiträgen wir dafür einsetzen müssen, spielt offensichtlich keine Rolle.
Auch heute rechtfertigen die Zahlen diese Ansätze und politischen Verhaltensweisen nicht. Wenn wir sie nüchtern betrachten, müssen wir feststellen, dass Politik eine absurde Antwort auf ein Phänomen gibt, mit dem unsere Gesellschaft nach heutigem Stand ohnehin noch längere Zeit leben muss und auch leben kann. Dabei wollen wir nicht verkennen, dass Corona-Viren für manche Menschen eine tödliche Bedrohung darstellen. Daran werden wir aber auch durch den Shutdown nichts ändern und darauf hätten wir auch mit einem von Politik formulierten, freiwilligen Verhaltenscodex im Rahmen der Möglichkeiten, über die eine auf ihr Funktionieren abzielende Gesellschaft verfügt, eine angemessene Antwort geben können.
Sehen wir uns die Zahlen nüchtern an.
Aufgrund der Grippewelle 2017/2018 gab es in Deutschland 25100 Tote. Es gab aber keine vergleichbare politische Reaktion.
In Deutschland gab es im Jahr 2019 3059 Verkehrstote und 384.000 durch Verkehrsunfälle am Körper verletzte Personen. Unter den Toten waren sehr wahrscheinlich auch Kinder, die nur versucht haben, in die Schule zu gehen. Wir könnten diese Leben und Körper durch einen Verkehrs-Shutdown schützen. Wir wollen das aber nicht und bevorzugen es sogar, die Verkehrswege für gefährliche Transportmittel immer weiter auszubauen. Politische Mittel, vergleichbar denen in der sog. Corona-Krise gibt es nicht. Wir alle nehmen den jährlichen Kollateralschaden für ein Funktionieren der Gesellschaft nach unseren Vorstellungen einfach in Kauf.
Zum Stand von Vorgestern gab es in Deutschland 129.000 gemeldete Infektionen und 3300 Tote, bei denen das Corona-Virus festgestellt worden ist.
Das Durchschnittsalter der mit dem Corona-Virus Verstorbenen liegt bei 82 Jahren. Die durchschnittliche weitere Lebenserwartung der im Jahr 2020 82-Jährigen ist sehr überschaubar.
Im Raum Hamburg wurde bei den Obduktionen der mit dem Corona-Virus Verstorbenen festgestellt, dass in allen Fällen massive Vorerkrankungen vorhanden waren und das Corona-Virus nur der Tropfen gewesen sein könnte, der das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat (entschuldigen Sie die unpassende Formulierung).
Von den auf Intensivstationen künstlich beatmeten Corona-Virus-Patienten sterben 50% und 50% überleben. Die Mediziner wissen aber nicht, woran das liegt.
Der verordnete gesellschaftliche Shutdown hat dazu geführt, dass sich die Ausbreitung des Virus in Deutschland verlangsamt hat. Als Erfolg dieser Verlangsamung wertet man, dass die medizinischen Einrichtungen in Deutschland nicht überlastet sind und befürchtet, dass eine zu schnelle oder zu weitgehende Lockerung dazu führen könnte, dass sich die Ausbreitung des Virus wieder beschleunigt. Das bezeichnet man als „Rückfall“, den es zu verhindern gelte. Aktuell liegt die Ansteckungsrate bei ca. 1 Ansteckung pro Infiziertem.
Letztes Jahr sind in Deutschland jeden Tag durchschnittlich 2575 Menschen gestorben. Den ersten deutschen „Corona-Toten“ gab es am 09.03.2020. Bezogen auf den Zeitraum vom 09.03.2020 bis zum 16.04.2020 beträgt der Tagesdurschnitt an „Corona-Toten“ 86. Wir reden demnach über 3% der normalen täglichen Sterberate in Deutschland.
Auch, wenn man es bedauern kann, wenn jemand mit dem Corona-Virus oder gar an dem Corona-Virus stirbt, ist die mit dem Corona-Virus in Zusammenhang stehende Sterberate für unsere Gesellschaft statistisch gesehen vernachlässigbar. Sie wäre auch dann statistisch gesehen vernachlässigbar, wenn es infolge eines Verzichts auf einen angeordneten Stillstand nur freiwilliges Verhalten und damit mehr Tote gegeben hätte.
Wie hoch die tatsächliche Zahl an Infizierten ist, wissen wir aktuell nicht sicher. Auch nicht, wie hoch der Prozentsatz in der Bevölkerung ist, bei dem bereits Antikörper vorhanden sind, der also bereits über eine Immunität gegen das Virus verfügt. Auch wissen wir nicht, ob und wann es Medikamente und einen Impfstoff gegen das Virus geben wird.
Wenn wir mit einem weitgehenden gesellschaftlichen Shutdown die Ansteckungsrate statistisch bei 1 oder sogar etwas darunter verorten, dann führt der Shutdown nur dazu, dass sich das Virus in unserer Gesellschaft langsamer fortbewegt. Es werden also auch dann Menschen sterben. Die Frage ist nur wie viele und ob der Unterschied zu einem unterlassenen Shutdown für den Fortbestand einer funktionierenden Gesellschaft relevant ist oder nicht.
Wenn uns die Bilder von Intensivstationen in Deutschland und von Sterbefällen auf den Intensivstationen in den Medien gezeigt werden, dann macht das uns natürlich betroffen. Betroffen macht uns das aber nur deswegen, weil wir sonst nicht mit Bildern von Intensivstationen unserer Krankenhäuser versorgt werden. Wäre das der Fall, wäre uns auch klar, dass das Sterben von Patienten auf Intensivstationen zu unserem (verdrängten) Alltag gehört. Tagtäglich sterben dort Menschen und in vielen Fällen handelt es sich um tragische Sterbefälle, die uns alle anrühren würden, wenn wir von Ihnen Notiz nehmen würden.
Politische Verantwortung zu übernehmen heißt für mich, sich den Widrigkeiten des Lebens zu stellen und den Umgang mit den Widrigkeiten des Lebens den Menschen zu überlassen. Wenn sich der Staat zur Aufgabe macht, uns die Widrigkeiten des Lebens abzunehmen, dann verlieren wir die Chance auf ein eigenverantwortliches Leben und damit auch die Chance auf jenes persönliche Glück, dessen Ursprung in dem Verstehen und der Bewältigung der persönlichen Aufs und Abs liegt. Wenn sich der Staat zum Garant für ein in jeder Hinsicht abgesichertes Leben macht, dann nimmt der Staat nicht nur den Menschen ihr Leben weg, sondern dann kann er langfristig auch nur scheitern, weil er die damit verbundene Kostenlast nicht nachhaltig tragen kann. Wenn der Staat meint, sich mit Schulden aus der Affaire ziehen zu können, dann gestalten wir unser Leben auf Pump und auf dem Rücken derer, die wir zur Bewältigung der Schuldenlast einspannen. Wir können uns davor wegducken. Verantworten können wir es nicht.
Thomas Guldenkirch (17. April 2020)