Wer Politikern in der öffentlichen Berichterstattung aufmerksam zuhört, der stellt fest, dass sich über Parteigrenzen hinweg Argumentationsmuster gleichen. Das verwundert nicht, denn bei der Vielzahl von Politikern wäre es auch eher ungewöhnlich, wenn jeder eine eigene Argumentation vorzuweisen hätte. Für uns lohnt es sich, bei sich wiederholenden Argumentationsmustern genauer hinzuschauen oder besser hinzuhören.
Seit geraumer Zeit hört man von Politikern verschiedener Couleur des Öfteren in den Medien die floskelhafte Aussage, dass die Welt zunehmend komplexer geworden sei und es auf die sich stellenden Fragen deswegen keine einfachen Antworten geben könne. Diejenigen, die so tun würden, als gebe es einfache Antworten, seien Populisten, die man politisch und gesellschaftlich ächten müsse.
Derartigen Aussagen kann man auch grundlegend widersprechen und die Frage stellen, ob sie nicht auch für das Kaschieren der eigenen Planlosigkeit stehen können.
Die Welt ist nicht komplexer geworden. Verändert hat sich lediglich die Zahl der Menschen, die Zahl der überregionalen Geschäftsbeziehungen und die Zahl der überregionalen Transporte und Reisen. Die Menschen sind die gleichen geblieben. Sie stehen sich genauso wie in früheren Zeiten entweder friedliebend oder kriegerisch gegenüber. Alle Menschen haben immer noch das legitime Interesse, zu überleben und sich und ihre Familien zu ernähren und sie suchen verständlicherweise immer noch nach dem persönlichen Glück. Die frühere Jagd- und Sammeltätigkeit in Bezug auf Nahrungsmittel wurde weitgehend ersetzt durch Aktivitäten zur Erzielung von Einkommen. Der Verbrauch endlicher Ressourcen hat genauso wie die Besiedelung der Erdoberfläche stark zugenommen. Die Sicherung des eigenen Überlebens durch das Gebären möglichst vieler Kinder ist teilweise aber nicht gänzlich verschwunden. Die Welt mag kleiner geworden sein aber komplexer geworden ist sie nicht.
Auch die Fragen, die man in der aktuellen Zeit sinnvollerweise stellen sollte, sind nicht besonders kompliziert. Es kann einen sehr leicht das Gefühl beschleichen, dass jene Politiker, die über die Schwierigkeiten von Antworten in der zunehmend komplexen Welt sprechen, noch nicht mal wissen, wie die Fragen heißen, auf die sie keine Antworten haben.
Wenn man weiß, was man fragen will, dann gibt es darauf auch eine Antwort. Mag sein, dass man sich anstrengen muss, um die richtige Antwort zu finden. Die richtige Antwort muss aber überhaupt nicht kompliziert sein. Eine einfache Antwort kann ein viel höheres Maß an Akzeptanz verdienen als eine besonders komplizierte und möglichst differenzierte Antwort, die auch noch versucht, es jedem recht zu machen. Aus der Schlichtheit einer Antwort kann nicht gefolgert werden, dass sie populistisch ist. Populismus entsteht erst dort, wo man die eigene Antwort auf eine Frage gar nicht ernst meint und lediglich versucht, die Menschen über die Ernsthaftigkeit der vorgetragenen Antwort zu täuschen. Dann will man in Wirklichkeit auch gar nichts beantworten, sondern nur Wählerstimmen für sich oder für die eigene Partei generieren. Das gibt es natürlich auch, allerdings bei allen Parteien.
Es liegt an uns, denjenigen, die sich öffentlich mit Fragen und Antworten beschäftigen, genau auf die Finger zu schauen und nach denen Ausschau zu halten, die unserer Meinung nach die richtigen Fragen stellen und nach ehrlichen und authentischen Antworten auf die Fragen suchen. Es kann sogar derjenige unsere Sympathie verdienen, der ehrlich antwortet, dass ihm für eine bestimmte Frage trotz seinem Bemühen hierum einfach noch keine gute Antwort eingefallen ist.
Thomas Guldenkirch (17. Februar 2020)