Wenn ich mir unsere Landwirtschaft ansehe, dann bezweifle ich, dass die Politik dazu in der Lage ist, unser Leben sinnvoll zu gestalten.
Was wollen wir eigentlich jetzt und hier für unsere Gesellschaft erreichen? Das ist mir nicht klar. Wollen wir einen Status Quo aufrechterhalten? Wenn ja, warum wollen wir das? Weil unser Satus Quo zu besonders vielen glücklichen Menschen führt oder weil er besonders umweltschonend ist? Beides wäre mir wichtig. Ich persönlich kann aber weder das eine noch das andere erkennen.
Da ich nicht weiß, was wir für unsere Gesellschaft erreichen wollen, kann ich nur berichten, was ich gerne erreichen würde: Eine Gesellschaft in der jeder Mensch die Chance hat, durch seine eigenen Anstrengungen zu einem erfüllten Leben zu kommen und damit Glück zu erleben. Und eine Gesellschaft, die sich umweltschonend verhält. Materiellen Wohlstand sehe ich als einen Umstand an, der weder das eine noch das andere garantiert.
Zugegebenermaßen habe ich schon oft Zweifel an der Sinnhaftigkeit von aktueller Politik gehabt. Die Ursache dieser Zweifel waren meistens irgendwelche Berichte. Einer dieser Berichte war der, dass sich ein deutscher Jungbauer in den neuen Medien darüber aufgeregt hat, dass auf der Speisekarte des Restaurants im deutschen Bundestag kein einziges Gericht angeboten wurde, bei dem das Fleisch aus Deutschland stammt. Sämtliches Fleisch stammte aus anderen und zum Teil sehr fernen Ländern. Der Jungbauer stellte daraufhin zu Recht die Frage nach dem Sinn seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland. Der Bericht spielte eine kurze tagespolitische Rolle und war dann auch schnell wieder vergessen. Die Politik hatte wieder anderes zu tun. Mir persönlich aber ging der Bericht tief unter die Haut.
Ich glaube, dass der globalen Marktwirtschaft der simple Gedanke zugrunde liegt, dass globaler Handel Wachstum erzeugt. Das kann man sich auch einfach vor Augen führen. Wenn der Produzent aus dem Land A in dem Land A auf eine Nachfrage nach seinen Produkten von 100 trifft, dann kann er die Nachfrage nach seinen Produkten um ein Vielfaches erhöhen, wenn er seine Produkte auch in anderen Ländern anbietet. Das hat immer schon funktioniert.
Wenn man heute Berichte von Handelsreisenden aus vergangener Zeit liest oder im Fernsehen sieht, dann fällt auf, dass diese Handelsreisenden immer solche Produkte zu fernen Zielen gebracht haben, die es dort nicht gab. Wenn ein Handelsreisender von Europa nach Asien gefahren ist, hat er etwas mitgenommen, was dort deswegen begehrt war, weil es nicht existierte. Wenn er dann wieder zurückgekommen ist, hat er es umgekehrt gemacht. Vielleicht ist er mit Alkoholika hin- und mit Seidengewändern zurückgefahren. Was weiß ich. Für die jeweiligen lokalen Produzenten ergab sich daraus jedenfalls eine sinnvolle Vergrößerung des eigenen Absatzes.
Was wäre aber gewesen, wenn der Handelsreisende etwas mitgenommen hätte, was es am Zielort bereits im Überfluss gibt? Dann hätte er womöglich kein Geschäft machen können. Er hätte nur noch dann zu einem Geschäft kommen können, wenn er seine mitgebrachten Produkte zu einem günstigeren Preis als der lokale Produzent angeboten hätte. Dann hätte man aber die Frage nach dem Sinn der Übung stellen können. Welchen Sinn hätte es gehabt, in einen Preiswettkampf über Ländergrenzen hinweg einzutreten? Der Preiswettkampf hätte doch niemals fair sein können, weil die Länder und die Produktionsbedingungen viel zu unterschiedlich gewesen wären, als dass die jeweilige persönliche Produzentenleistung noch eine maßgebliche Rolle gespielt hätte. Außerdem waren beide Gesellschaften und beide Produzenten doch auch ohne diesen Preiswettkampf zufrieden. Und schließlich hätte doch der Preisunterschied eines Preiswettkampfes die mit dem langwierigen Transport einhergehenden Strapazen und Umweltschädigungen möglichweise auch nicht so gerechtfertigt, wie es die Behebung eines lokalen Mangels an Produkten vielleicht noch vermocht hätte. Was also hätte es gebracht, diesen seltsamen Preiswettkampf auszulösen?
Wenn ich mir die heutige Weltwirtschaft ansehe, dann kann ich den ursprünglichen Sinn eines globalen Handels nicht mehr überall erkennen. Für mich überwiegen die Nachteile der Handlungsweisen die Vorteile bei weitem, wenn es nur noch darum geht, weltweite Preiswettkämpfe über weltweit ohnehin und teilweise im Überfluss vorhandene Produkte auszulösen und zu bestehen. Man transportiert etwas aus dem Land A in das Land B, was es dort schon gibt. Man nimmt die mit dem Transport einhergehenden Umweltbelastungen in Kauf. Man zerstört möglicherweise die Existenz von lokalen Produzenten, die sich in Bezug auf ihre Produkte und deren Preise an ihre jeweiligen Gesellschaften angepasst haben und mit ihren Gesellschaften friedlich koexistieren. Man gewinnt einen Wettbewerb unter ungleichen Wettbewerbsteilnehmern. Man schafft auf der Welt Einfalt und verhindert Vielfalt. Warum macht man das? Müssen wir das machen, um zu überleben?
Nehmen wir das oben angeschnittene Thema Fleisch. Ich gehe davon aus, dass unsere deutschen Landwirte in der Lage wären, den Fleischbedarf in Deutschland sowohl der benötigten Menge als auch der benötigten Qualität nach abzudecken. Wenn das aber so ist, warum brauchen wir dann Fleisch aus anderen Ländern? Es würde doch schon aus Umweltschutzgründen Sinn machen, auf internationale Fleischtransporte zu verzichten und sich auf den Wettbewerb unter Fleischproduzenten zu beschränken, der sich innerhalb Deutschlands unter gleichen Wettbewerbern nach weitgehend gleichen Wettbewerbsbedingungen ergibt. Das allein wäre fair. Unfair wäre es dagegen, deutsche Landwirte einem Wettbewerb mit solchen Fleischproduzenten auszusetzen, die allein schon aufgrund ihrer geographischen Lage über überlegene Produktionsbedingungen verfügen. Wie soll ein deutscher Landwirt mit argentinischen Viehaltern mithalten und warum sollte er das überhaupt müssen? Wir haben doch keine Veranlassung, deutsche Landwirte mitsamt deren Familien und Höfen um die eigene Existenz zu bringen oder ihnen eine absurde Arbeitsleistung für ein gerade-noch-so-Überleben abzuverlangen. Sie haben als unsere Mitbürger doch ein Recht auf eine sinnvolle Rücksichtnahme auf ihre Interessen soweit diese mit den Interessen unserer Gesellschaft zusammenpassen. Wofür sonst ist Deutschland denn eigentlich da? Wir haben auch keine Veranlassung, Fleischproduzenten zu generieren, die Fleisch für Länder produzieren, in denen es bereits Fleisch in ausreichendem Maße gibt. Wir müssen niemandem etwas aufs Auge drücken, was er schon hat und können die Umwelt von derartiger Energieverschwendung und Umweltschädigung entlasten.
Für mich wäre deswegen eine sinnvolle Vorgehensweise, der Versorgung der deutschen Verbraucher mit deutschem Fleisch in jeder Hinsicht den Vorzug zu geben und unnötige Importe zu unterbinden. Erlaubt wären nur Importe von Fleischprodukten, die es in Deutschland nicht als vergleichbare Produkte oder in unzureichender Menge gibt. Das gleiche würde aber fairerweise auch für Exporte gelten. Das hat für mich auch nichts mit Nationalismus oder Protektionismus, sondern allein etwas mit einer in Bezug auf unsere Gesellschaft und in Bezug auf die Welt und den Schutz der Umwelt sinnvollen Vorgehensweise zu tun. Wir reden über Fleisch und ich kann mir nicht vorstellen, dass das Leben auf der Welt dadurch schlechter wird, dass jeder sein Fleisch ist. Jedes Land kann für sich bestimmen, wie viel zusätzlichen Fleischbedarf es hat und um die Bedienung dieses zusätzlichen Fleischbedarfs könnten sich internationale Produzenten frei bewerben. Dann würde aber mit internationalen Fleischtransporten ein Mangel behoben und die Geschäfte dadurch mit einem Sinn aufgeladen, während sie ansonsten nur eine unnötige Belastung der lokalen Bevölkerung und der Weltgemeinschaft samt Umwelt sind.
Sinn dieses Beitrags ist nicht, irgendjemanden zu diskriminieren. Ziel dieses Beitrags ist allein, sinnvoll für unsere Gesellschaft und zum Nutzen der Umwelt zu handeln. Ich jedenfalls kann in entgegengesetzten Handlungsweisen keinen Sinn erkennen.
Thomas Guldenkirch (28. April 2020)